Tom ist tot, kein Freispiel drin – zum Niedergang von Myspace
Mit dem Fall von Myspace brechen nun wohl hoffentlich bessere Zeiten an. Der ehemalige Gigant ist mittlerweile nur noch ein Schatten seiner selbst, der klägliche Rest wird in Kürze verscherbelt. Die folgenden, erneuten Schmähungen mögen auch als Appell an die vielen Kollegen gerichtet sein, die Myspace nach wie vor als alleinige Onlinepräsenz nutzen. Kann ja durchaus sein, dass eure über Jahre aufgebauten Seiten bald komplett den Bach runtergehen, je nachdem, wie sich die Dinge entwickeln.
Im Juli 2009 haben wir unseren Rückzug vom Myspace vollzogen und uns sehr erfolgreich auf die eigene Webseite als Aushängeschild konzentriert. Diesen Schritt haben wir nicht bereut. (Wer mit uns sozial netzwerken will, kann dies noch via Facebook tun.)
Die Ära von Myspace war das düstere Mittelalter der Musikvernetzung. Es war für die allermeisten Bands ein ungeschriebenes Gesetz, dort präsent sein zu müssen, zwischen all der beschissenen Werbung und den willkürlichen Gesetzmäßigkeiten asozialen Designs. Unsoziale social network Praktiken avancierten in diesem Schlammloch minderwertiger Programmierung zum absurden Selbstzweck.
Millionen Bands reihten sich ein in den Reigen endlos-belangloser Verfügbarkeit. Inmitten dieses Grabbelkastens machte es immer weniger Spaß zu entdecken und entdeckt zu werden. Murdochs Moloch degradierte Musiker per se zu kostenlosen Contentlieferanten, Kreativmaterial für eine endlose Resterampe, mit dem verzweifelten Ziel, Klicks auf die gleich Krebsgeschwüren wuchernden Reklamebanner zu forcieren.
Sehr beliebt war das Vorweisen von massenweise „plays“ und „friends“, womit Veranstalter, Plattenfirmen und die Großmutter beeindruckt werden sollten. Diese konnte man mit kleinen Tricks oder für eine handvoll Dollar schier endlos in die Höhe schrauben, was zu immer bizarreren Statistiken führte. Bands von denen noch nie jemand gehört hatte, protzten oft mit hunderttausenden Klicks auf generische Emo/Elektro/Irgendwas-Lieder.
Mit dem Niedergang von Myspace stellt sich vielen Musikern die Frage, wie man sich als Band am stilvollsten, sinnvollsten und dauerhaftesten online präsentiert. Eigentlich kann es darauf nur eine Antwort geben: über eine eigene Webseite, auf eigenem Webspace, auf den niemand Kontrolle ausübt außer man selbst. Dort kann man die eigene Geschichte genau so erzählen, wie man es will – und nicht zu den Rahmenbedingungen der Murdochs (und Zuckerbergs) dieser Welt.
(Übrigens: wir sind nicht bei Myspace aktiv, dennoch haben wir unser Profil dort nicht komplett löschen wollen. Wäre ja blöd wenn sich dort jemand unter unserem Namen einnistete. Die großflächige Umleitung auf unsere Homepage, die wir dort installierten, funktioniert seit dem Myspace-„update“ vor kurzem leider nicht mehr.)